Rezensionen – The Dandelion Diary : Die heikle Kunst des Gehens von Marguerite Black


 


















Übersetzung für BabelFAmily: Anne Agius
23. November, 2007

DIESES ausgezeichnete Buch liest sich wie ein Spaziergang durch einen alten Garten am Kap, voller Klänge und Düfte, Farben und Texturen, beschrieben wie eine Miniaturlandschaft in wunderschönen Details.
Mispeln, halbverstümmelt,
von Mausvögeln gefressen … ein Garten aus zertrampeltem Löwenzahn,
der Dschungel eines Kindes.”
Marguerite Black ist blond und gertenschlank, sieht aus wie ein Filmstar, hat Talent, Tatendrang, Mut und Intelligenz und eine beneidenswert unterstützende Familie. Sie hat auch Friedreich Ataxie, eine neurologische Erkrankung, die zur Lähmung führt und sich über die Jahre verschlimmert hat. Nun, im Alter von 28 Jahren, kann sie nicht mehr ohne fremde Hilfe laufen. Sie hat teils die Kontrolle über ihre Hände und Arme verloren und wird in nicht allzu ferner Zukunft wahrscheinlich an einer schweren Sprachbehinderung und Herzerkrankung leiden. In Anbetracht ihrer Zukunftsaussichten würde man erwarten, dass „The Dandelion Diary” düster und herzzerreißend ausfällt; stattdessen ist ihr Werk jedoch eine Bejahung des Lebens, der Liebe und der Freude. Ihre Kindheitserinnerungen schildert sie nicht in Form verblasster Polaroids, sondern in detaillierten, 'diamantengefassten' Szenen. Marguerite Black hat Augenblicke in ihrem Leben immer schon mit allen Sinnen wahrgenommen und besitzt die Gabe, diese kristallklar wiederaufleben zu lassen.
Black verbrachte ihre Kindheit in Grahamstown, nur einige Häuserecken entfernt, von wo ich aufwuchs. Ihr Vater arbeitete an der Wirtschaftsfakultät der Rhodes-Universität, wo er einer der beliebtesten Dozenten war. Intelligenz, Schönheit, Talent und Charisma liegen bei den Blacks offensichtlich in der Familie – ebenso wie Friedreich Ataxie.
Bei den Schilderungen ihrer Kindheit schöpft sie aus einer Fülle positiver Sinneseindrücke: In den Sommermonaten im Stausee zu baden oder im Garten unter der Mispel das Kupfer zu polieren. Das heisere Geschrei des Ibis, der Klang von Kinderliedern, der Gesang unzähliger Vögel und das Summen der Insekten, die einschläfernde Januarhitze und die heftigen, überfallartigen Gewitterstürme werden nicht nur in ihrer Prosa, sondern auch in ihrer Dichtung zum Leben erweckt.
Für Marguerite Black scheint das Glas immer halb voll zu sein; selbst die heißen, von Mücken geplagten Nächte und beißend kalten Wintermonate am Kap sind ihr in liebevoller Erinnerung geblieben.
Erst als die Familie nach Stellenbosch zog, machte sich die Friedreich Ataxie, unter der bereits ihr älterer Bruder litt, bei Marguerite Black bemerkbar. Blacks Jugend müsste sich eigentlich wie ein Alptraum lesen, da sie aufgrund ihres schlechten Gleichgewichtssinns stets der Trunkenheit beschuldigt wurde. Zwei Autounfälle, von denen einer zu dem Tod einer engen Freundin führte, erschwerten ihre Situation. Dennoch blieb sie stark und positiv.
In diesem Hochsicherheitsgefängnis der gebändigten Instinkte
Ist mein einst biegsamer Körper
In diesen Stuhl auf Rädern gezwängt worden,
Meine Impulse sind abgestumpft.”
Zart verblasste Fotografien verleihen ein Gefühl der Intimität; wir erleben sie als Kind mit ihrer strahlenden Mutter, ihrem attraktiven Vater, ihrem hinreißenden Bruder. Als Erwachsene jedoch sehen wir Black in einem Rollstuhl, auf ihrem umgebauten Roller oder sich auf ihrer Gehhilfe abstützend.
Sie und ihr Bruder arbeiten beide beruflich mit Menschen, die Behinderungen haben, und fördern aktiv das öffentliche Bewusstsein für ihre Krankheit – er durch Remix, das Tanzensemble für Tänzer mit Behinderungen, sie durch ihre PR-Arbeit und ihre Arbeit als Schriftstellerin. “Ich habe das Bedürfnis, die Leere, die Friedreich Ataxie umgibt, mit Worten zu füllen. Meine Schriftstücke sind eine Art und Weise zu sagen: Dies ist auch wichtig, denn dies ist meine Wahrheit.”
„Dandelion Diary“ füllt diese Leere tatsächlich mit Worten. Das Werk endet mit dem Zitat aus einer E-Mail-Kampagne, die die Geschwister ins Leben gerufen haben, um zur Forschung an Friedreich Ataxie anzuregen und sich selbst als Testpersonen zur Verfügung zu stellen. Die letzten Worte des Buches fassen Blacks Philosophie zusammen. “Wir werden weiterhin kämpfen und hoffen”, sagt sie.
Quelle:  http://www.librarything.com/work/4363733/reviews/23599753